Über uns

Es kommt auf die Stuten an

Am Anfang stand eine Anzeige im Stader Tageblatt: drei junge Stuten zu verkaufen. Mein Vater hatte gerade etwas Geld geerbt, nicht viel und es hielt auch nicht lange vor. Aber die Pferde blieben, sozusagen als segensreicher aber arm machender Fluch der Erbschaft meines Grossvaters. Das war 1962, unsere fünf Kühe waren bei der grossen Sturmflut ertrunken, die Weiden erholten sich schnell. Da brauchte man was zum grasen. 

Der Trecker, der ein paar Jahre zuvor die Wagenpferde abgelöst hatte, sprang nachdem wir das Dieselöl einmal durchgesiebt hatten wieder an. Die Scheune war noch baufälliger als zuvor, die Apfelbäume mussten vom Reet, das von der Flut in die Kronen getragen wurde, befreit werden. Mit einem Wort: die Landwirtschaft war am Ende. Das Land wurde verkauft, aber die Pferde blieben. Bis heute. 

Es war nichts dolles, was mein Vater eingekauft hatte, eine dreijährige, eine zweijährige und eine einjährige Stute, Vorbuchstuten. Vater mittelmäßig, Mutterlinie eher unklar. Wir zogen sie auf, ritten sie in Wildwest-Manier ein, schließlich war mein Vater vor dem Krieg 15 Jahre in Kanada gewesen, als Farmer, Trapper und Cowboy. An der Weide in Stadersand, wo wir die Pferde im Sommer anritten, bildeten sich manchmal lange Schlangen von Autos, deren Insassen beeindruckt beobachteten, wie wir serienweise in Rodeomanier von buckelnden Pferden abgeworfen wurden. Darin hatten wir später eine ziemliche Übung, ein Pferd musste sich schon ziemlich viel Mühe geben, uns, meine Brüder und mich loszuwerden. 

Wir begannen zu züchteten. Die Stecke zur Deckstation in Schwinge, knapp zehn Kilometer entfernt ritten wir die Landstrasse entlang, wenn Autos kamen, wichen wir auf den Seitenstreifen aus. Der dort stationierte Hengst war Duden II von Duellant/ Marcio. 

Natürlich erwarteten wir, dass die Fohlen dem Hengst entsprachen und nicht unseren eher unterdurchschnittlichen Stuten. Es kam meistens anders. Da dämmerte mir, dass die Qualität der Stuten zuchtentscheidend ist, statistisch gesehen jedenfalls. Alle Stuten sind im Durchschnitt durchschnittlich, alle gekörten Hengst sind überdurchschnittlich, sollten sie jedenfalls, sonst hätten sie nicht gekört werden dürfen. Stuten, die schlechter sind als die Hengste ziehen also statistisch betrachtet die Qualität der Nachzucht nach unten. Also müssen die Zuchtstuten von ebenso großer Qualität sein wie die gekörten Hengste. Das ist natürlich schwierig, denn die Hengste stellen ja nur einen geringen Anteil eines Jahrgangs dar, und – wiederum statistisch gesehen – die Zahl der Top-Stuten dürfte auch nicht größer sein als die Zahl der Top-Hengste eines Jahrgangs. 

Also traf ich irgendwann eine schwere Entscheidung. Ich sagte mir, ein gutes Pferd frisst auch nicht mehr als ein schlechtes und trennte mich von allen damals gekauften und gezogenen Pferden.

Und dann begann das Abenteuer erst richtig. Durch Vermittlung des Gestüters Wolski in Oberndorf, der sich schon vor dem Kriege in der Trakehnerzucht verdient gemacht hatte, kaufte ich Anfang der Siebziger Jahre in der Nachbarschaft ein Stutfohlen von Pik König/ Florentiner. Das war damals nicht billig – verglichen mit den heutigen Fohlenpreisen sogar richtig teuer. Die Stute hätte hübscher sein können: der Kopf zu groß, die Beine etwas zu kurz, der Rücken etwas zu tief. Aber sie konnte sich bewegen. Noch mit fast 30 Jahren hatte sie einen beeindruckenden Trab. Das sollte die Grundlage meiner Dressurpferdezucht werden – und wurde es auch. Im Laufe der Jahre wurden die Köpfe besser und die Beine länger, aber das Bewegungspotential blieb. Springen konnten die meisten auch. 

Ein Jahr später kaufte ich auf der kleinen Auktion in Kutenholz ein weiteres Stutfohlen. Ich hatte es mir schon im Katalog ausgesucht: eine kleine sehr blütige Rappstute von Abseits/ Maigraf. Also alte Trakehner-Linie gepaart mit Vollblut. Ich hatte keine Ahnung von der Leistungsfähigkeit des Stutenstammes, aber ich mochte das Fohlen einfach leiden. Erst später stellte ich fest, dass die Stute springen konnte – und die Nachkommen erst recht. 

Damals ging man ja zur regionalen Deckstation in der Nachbarschaft. Das war bei uns Ilienworth, geleitet vom Celler Landgestüter Albers. Der nahm uns unprofessionelle Jungzüchter durchaus ernst, mochte auch unsere kleine Rappstute leiden und schlug uns mit der Autorität des Experten den Hengst Garibaldi vor, den damals so recht keiner einsetzen wollte. Garibaldi von Grande/ Marcio war ein ziemlich bunter Fuchs, ein bisschen schwer mit etwas zu wenig Hals aber enorm guten Bewegungen und dazu einem recht guten Springvermögen. Er machte beides: Dressur und Springpferde. Besonders auf der Mutterseite hinterließ er in beiden Disziplinen eine beeindruckende Spur: So hatte Hugo Simons ET von Esprit eine Garibaldi-Mutter, genauso wie Nadine Capellmanns Elvis, ebenfalls Esprit/ Garibaldi, wenn auch aus einer anderen Mutterlinie. Die Mutter des bekannten Hengstes Wolkenstein wiederum ist eine Vollschwester zu Garibaldi. 

Meine eigenen Garibaldi-Nachkommen hatten durchweg ebenfalls gute Bewegungen, gepaart mit Springvermögen. Und die Nachkommen der aus den Garibaldi/ Abseits- gezogenen Stuten ebenfalls. Das alles zog sich über Jahrzehnte hin. 

Das Leben spielte sich am Wochenende auf dem Land ab: reiten, füttern, ausmisten, Zäune reparieren, Heu machen. Meine Brüder machten tatkräftig mit. Dann traf ich bei einer Reitjagd ein Mädchen namens Katrin auf einem weißen Pony, das mich gut zehn Jahre später in einer Kneipe auf diese Jagd beim Tierarzt Dr. Klute ansprach. Inzwischen sind wir seit mehr als Fünfundzwanzig Jahren zusammen und verheiratet. Die beiden Töchter Antonia und Emilie reiten ebenfalls, die Begabung haben sie von der Mutter. Auf die kommt es eben an. 

Inzwischen, 1972, hatten wir ein ehemaliges Forsthaus mitten im Wald bei Lamstedt, zwischen Stade und Cuxhaven bezogen, mit einem kleinen Stall und ein paar Weiden. Die Zahl der Pferde wuchs, aber durch die Vermittlung des Gestüters wurden auch Fohlen verkauft, damals zu rechtordentlichen Preisen. Eines, von Hitchcock/ Pik König war total krummbeinig auf die Welt gekommen, die Tierärzte schlugen die Hände über dem Kopf zusammen, das Fohlen sah aus, als sei ein Auto seitlich reingefahren. Wir nannten – es mit Galgenhumor – Blechschaden. Gestüters Albers kam, sah das Fohlen und unsere Sorgenmine, lachte und sagte: „Das wächst sich zurecht. Ich hab auch schon einen Kunden“. Als das Fohlen im Herbst abgenommen wurde, waren die Beine in Ordnung. Später gewann es in Serie Materialprüfungen und wurde für 50 000 DM auf der Verdener Eliteauktion verkauft, was damals sehr viel Geld war. Noch später wurde daraus ein sehr erfolgreiches Dressurpferd, das u.a. die Landesmeisterschaft in Luxemburg gewann. 

Auch die andere Linie machte sich. Ein paar Fohlen und ein Zweijährigen von Garibaldi wurden gut verkauft, ein Zweijähriger wurde zur Körung in Verden zugelassen, dort aber am Ende nicht gekört – auf das Springen wurde damals eher weniger Wert gelegt. Man merkte nicht, dass dieser Garibaldi/ Abseits-Nachkomme enormes Spring-Potential hatte. Wahrscheinlich ist dieser Fall eines der Beispiele dafür, warum die G-Linie (Grande oder Gotthard-Nachkommen), aus der zahlreiche Erfolgspferde stammten, heute in Hannover nur noch rudimentär vorhanden ist und mühsam wiederbelebt werden soll. 

Ich kauften den Hengst zurück und behielt ihn bis heute. Jetzt ist Grimaldi fast 30 Jahre alt und dient immer noch als Ausreitpferd. Trotz mancher Angebote habe ich ihn nie verkauft und ritt ihn lieber selbst auf kleine Turnieren und durch den Wald. Durch ihn nahm die Zucht auf unserem Hof auch eine völlig neue Wende. Ein Freund, der damals die Vermarktung des Derbys in Hamburg-Flottbek organisierte, schenkte mit zum Geburtstag eine Trainingsstunde bei John Whitaker. Ich solle mein Pferd einfach aufladen, zum Derbyplatz kommen, und dann würde John mir ein paar Tipps geben. Eigentlich ziemlich verrückt – als Amateur auf dem Abreiteplatz in Flottbek, während des Turniers, Übungsstunde bei einem Weltklassereiter. Aber man muss Geschenke ja auch annehmen. Ich ritt also meine Runden, die Stangen blieben liegen. Dann sagte John: May I Ride The Horse? Ich stieg ab und musste die Stangen höher legen, sehr viel höher. Sie blieben liegen. John stieg ab uns sagte: Do you want to sell the Horse? Ich schüttelte den Kopf: No. 

Die Szene fand vor reichlich Publikum statt, darunter Elisabeth von Buchwald, die Frau des zweimaligen Derbysiegers Achaz von Buchwald. Nicht lange danach stellte ich das Pferd in deren Stall. Aber ganz abgeben wollte ich es nie. Im Jahr darauf ritten wir auch zusammen ein Profi-Amateurspringen auf dem großen Turnierplatz in Flottbek. Achaz und ich als Profi-Amateur-Paar gewannen, und als ich mich bei der Siegerehrung umblickte standen hinter uns unter anderen Ludger Beerbaum, Nelson Pessoa und andere Weltklassereiter. Natürlich war das nur eine kleine Rahmenveranstaltung und die Hindernisse waren nicht sehr hoch. Aber wir waren eben schneller als die anderen Paare aus jeweils einem Profi und einem Amateur. 

Ich stellte ein weiteres Pferd zu Achaz von Buchwald, eine Stute, deren Namen sich meine damals dreijährige Tochter ausgedacht hatte: „Will Pony haben. Pony heißt Abilaly.“ Also hieß die Stute Abilaly (Amani/ Garibaldi) und gewann zunächst mit Achaz, dann mit Ulf Plate so manches S-Springen. Als sie auf dem Dobrock-Turnier S-platziert wurde und ich voll Züchterstolz war, sagte Paul Schockemöhle trocken: „Nun bilde dir mal nicht zuviel ein, du hast ja auch Europas schnellsten Reiter für deine Krücke“. 

Da hatte er recht. Ulf Plate gewann dann im Winter mit Abilaly das Verdener Turnier: Freitag zweiter, Samstag erster und Sonntag im Grossen Preis ebenfalls erster – vor Meredith Michaels-Beerbaum. 

Durch Achaz lernt ich die Holsteiner kennen und setzte sie für meine Hannoveraner Stuten ein: Contendro, Acorado, Calido, Catoki, Diarado. Alle waren für Hannover anerkannt, waren hübsch, langbeinig, blütig und konnten gewaltig springen, aber auch die Dressurnoten waren sehr hoch. Der Einsatz dieser Hengst krempelte meine Zucht um, und das war zu einer Zeit, als in Hannover die Holsteiner Hengste eher zurückhaltend eingesetzt wurden. 

Auf dem stabilen Fundament meiner hannoverschen Stuten gab das buchstäblich einen Sprung nach vorn. Und auch die Dressurlinie nahm am Holsteiner Aufschwung teil. Eine Ur-Enkelin des von mir ganz am Anfang der siebziger Jahre gekauften Stutfohlens von Pik-König/ Florentiner, die fünfjährige Acorado-Tochter „Argentinia“ aus einer Frappant/ Akrobat- Stute schlug in Reitpferdeprüfungen regelmäßig gekörte Hengst, startete auf dem Bundeschampionat und gelangte schließlich auf die Elite-Auktion nach Verden, wo sie den bis heute höchsten Preis für ein Reitpferd erzielte – gekörte Hengste ausgenommen. 

Auch aus der Springlinie gab es und gibt es immer wieder Erfolge. Im Augenblick liegt bei uns „Collin“ von Contendro/ Garibaldi vorn, der mit unserem Bereiter Lars Stange allein in dieser Saison (2013) bisher über 50 S-Plazierungen hat. 

Auch bei den jüngeren Pferden schlagen sich beide Linien gut, mit Nachkommen von Silvio, Converter, Quidams Rubin und Contendro. Danach geht es weiter, jeder Jahrgang mit vier bis sieben Fohlen von Vätern wie: Quidam de Revel, Calido, Acorado, Catoki, Singulord Joter, Esprit, Silvio, Canstakko, Diarado, Levisonn, Stalypso, Lordanos, Conteur, Chacco Blue, Totilas, Lissaro van der Helle, Quaterback, Lemony’s Nicket. 

Eine Zeitungsannonce vor fast genau 50 Jahren mit langfristigen und verfressenen Folgen. Gut 40 Pferde und mehrere Angestellte. Ein Hof mit rund 55 Hektar, nach und nach zusammengekauft, mit Reithalle und geräumigen Ställen – mitten im Wald. Und der täglichen Herausforderung, jeweils so viele Pferde zu verkaufen, damit sich das alles von selber trägt. Keine leichte Aufgabe. Aber machbar. Es kommt auf die Stuten an. 

Sportpferde Aust

Wir sind ein kleiner Familienbetrieb in Norddeutschland, der seit über 40 Jahren Spring- und Dressurpferde züchtet, ausbildet und verkauft.

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